Priesterjahn, Maike: Paolo Emilios De Rebus Gestis Francorum und seine Transformation der Geschichte Frankreichs
Priesterjahn, Maike: Paolo Emilios De Rebus Gestis Francorum und seine Transformation der Geschichte Frankreichs
Das europäische 16. Jahrhunderts war geprägt von der fortschreitenden Ausprägung eines Nationalbewusstseins, was sich in erster Linie anhand der zahlreichen Landesbeschreibungen nachvollziehen lässt, die an den europäischen Höfen zunehmend in Auftrag gegeben wurden. Bei den Autoren der Nationalgeschichten handelte es sich größtenteils um italienische Humanisten, die sich durch ihre besonderen Sprachfähigkeiten und Kenntnisse historischer Ereignisse noch besser als einheimische Humanisten für eine neue Geschichte des jeweiligen Landes qualifizierten. Besonders dem historiographischen Werk Paolo Emilios wird ein hoher Stellenwert zugesprochen, der sich in vielerlei Hinsicht zeigt.
Eine grundlegende und ausführliche Auseinandersetzung mit Emilio, seinen Quellen, Erzähltechniken und Methoden hat in der Forschung bislang noch nicht stattgefunden. So hat sich FRANCK COLLARD (Un historien au travail à la fin du XVe siècle) im Zusammenhang mit seiner Monographie zu Emilios Konkurrenten, Robert Gaguin, ansatzweise mit Emilio und seinem Werk befasst und auch KATHRYN DAVIES (Late XVth century Frensh Historiographie) und THOMAS MAISSEN (Von der Legende zum Modell) behandeln Emilios Werk De Rebus Gestis Francorum lediglich im Kontext ihrer komparatistischen Arbeit zur französischen Historiographie der Renaissance, während sich LUCIANO ROGNONI und GIAN MARIA VARANINI (Da Verona a Parigi: Paulus Aemilius autore del De rebus gestis Francorum e la sua famiglia) ausschließlich mit den sozialen Kontexten beschäftigt haben.
In dem Forschungsvorhaben steht Emilios Werk De Rebus Gestis Francorum (Paris 1539) im Zentrum, wenngleich Seitenblicke auf die vorhumanistischen, zeitgleichen und nachfolgenden Werke zur französischen Geschichte geworfen werden. Die Untersuchung wird entlang von zwei Richtungen angestrebt. So gilt es in synchron sozialhistorischer Perspektive zu klären, unter welchen sozialen und politischen Kontexten Emilios Werk entstanden ist. Dabei geht es sowohl um einen Versuch der Rekonstruktion der Humanistenzirkel in Frankreich und Italien als auch um die Konkurrenzsituation vor Ort. In diachron narrativer Perspektive soll vorgeführt werden, wie die nationale Geschichte Frankreichs unter Rückgriff auf antike Techniken, Vorbilder, Topoi, Leitideen, Mythen geschrieben wurde und in welcher Weise Emilio, insbesondere auch im Umgang mit identitätsstiftenden Themen, auf die Antike und das Mittelalter als Referenzbereich zurückgreift und welches Frankenbild er dabei konstruiert, welche stilistischen Elemente und historiographischen sowie biographischen Darstellungstechniken antiker Texte er in welcher Weise appropriiert und transformiert um die Historie der Nation zu erneuern und mittelalterliche Vorgänger zu substituieren. Als Vergleichsfolien sollen die prominenten vorhumanistischen Werke, die Grandes Chroniques de France und Gregor von Tours Historia Francorum herangezogen werden.
Spätmittelaler, Humanismus, Historiographie, Erzähltechniken, Frankreich
Moyen Âge tardif, humanisme, hagiographie, techniques de narration, France