Köhler, Stefan: Die wirtschaftliche Entwicklung der westlichen Méditerranée – Handel und Austausch
Köhler, Stefan: Die wirtschaftliche Entwicklung der westlichen Méditerranée – Handel und Austausch
In den letzten Jahren gab es vermehrt Bestrebungen die (deutsche) Mediävistik auch auf den islamischen Raum auszuweiten. Besonders Michael Borgolte und im Rahmen der Mediterranean Studies und Jenny Rahel-Oesterle forderten die Ausweitung der Forschung auch auf den nichtchristlichen Kulturraum. Dies sind besonders für den Wirtschaftshistoriker ernst zu nehmende Überlegungen. Die vorherrschende Beschäftigung der Forschung mit dem mediterranen Fernhandel zwischen den italienischen Seerepubliken und Syrien hat zu einer teilweise einseitigen Beschreibung der damaligen Wirtschaftsstrukturen geführt.
In der Wirtschaftsgeschichte wurde das Auftreten provenzalischer und katalanischer Kaufleute in der Levante oft als erfolgreiches Kopieren genuin „italienischer“ Methoden interpretiert. Tatsächlich aber lässt die Untersuchung und das Studium vorhandener Primärquellen auch eine andere Interpretation der wirtschaftlichen Entwicklung der provenzalischen Städte, abseits des üblichen Diskurses, zu. Nämlich dass der im Mittelalter entstehende Fernhandel der Provenzalen nicht Ergebnis eines Expansionismus nach italienischem Muster, sondern Folge des ökonomischen Wandels der Binnenökonomien war.
Der Ausgangspunkt meines Dissertationsprojektes ist die Untersuchung der Entstehung von Fernhandelsverbindungen zwischen der Levante und den Hafenstädten der westlichen Méditerranée – allen voran jenen in der Provence. Die Investitionen, die sich im Quellenmaterial des 12. und 13. Jahrhunderts niederschlagen, sind nicht Zeugnis einer wirtschaftlichen Neuausrichtung (nach Syrien) sondern bezeugen nur, dass eine kleine Schicht provenzalischer Kaufleute anfing in den Fernhandel zu investieren. Die wirtschaftliche Basis des provenzalischen Handels im Hochmittelalter ist im Kurzstreckenhandel zwischen dem Languedoc, Sardinien, Spanien, Sizilien aber auch besonders Nordafrika (Tunis, Bougie, Tlemcen) zu vermuten. Ausgehend von diesen Kaufleuten, die ihr Vermögen jetzt in den Überseehandel nach Outremer investierten, stellt sich die Frage nach deren Herkunft und woher sie ihr Handelskapital hatten.
Dazu ist es notwendig, sich mit den wirtschaftlichen Strukturen im westlichen Mittelmeer zu befassen. Während es verhältnismäßig leicht ist wirtschaftliche Verbindungen, besonders im Fernhandel, aufzuzeigen, gestaltet sich die Quantifizierung selbiger vielfach schwierig. Besonders das Arbeiten mit dem schlechter dokumentierten Kurzstreckenhandel mit Massengütern stellt den Wirtschaftshistoriker vor einige methodische Probleme. Die Tatsache, dass zumeist nur risikoträchtige (Fern-) Handelsgeschäfte aufgezeichnet und entsprechende Dokumente ihren Weg in die Archive gefunden haben und alltägliche Geschäfte ohne größeres Ausfallrisiko nicht Stephan Köhler (Universität Mannheim) 2 aufgezeichnet bzw. archiviert wurden, lässt der Methodik eine gewichtige Rolle zukommen. Es bleibt wichtig festzuhalten, dass die Investitionssummen provenzalischer Kaufleute in den Levantehandel mit anderen erhaltenen Handelsverträgen entsprechend kontextualisiert werden müssen.
Ausgehend von diesen Überlegungen ist es möglich, das Gesamtbild der Handelsverbindungen im westlichen Mittelmeerraum darzustellen um die Interdependenzen zwischen Massen- und Luxushandel besser zu verstehen. Dadurch würden vorhandene Forschungslücken geschlossen, wodurch bis dato nicht ausreichend geklärt werden konnte, wie es einigen kleineren Städten im Hochmittelalter gelungen ist, sich gegen die Konkurrenz Pisas, Venedigs und Genuas durchzusetzen. Ein solcher Forschungsansatz könnte die ökonomische Realität besser als jede Handelsgeschichte einer einzelnen Stadt beschreiben.
Mit dieser Arbeit möchte ich diese verschiedenen Ansätze anwenden, die das Erforschen neuer, noch wenig beschriebener, mittelalterlicher Handelsstrukturen ermöglichen.
Handel, Mittelmeer, Levante, Provence, Hochmittelalter, Nordafrika
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