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Schramke, Marius:

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In dem interdisziplinär angelegten Dissertationsprojekt wird untersucht, ob, warum und in welchem Umfang in Klöstern und Stiften des deutschsprachigen Raums im ausgehenden Mittelalter, die sich der als Einschränkung oder gar Bedrohung ihrer individuellen Freiheiten wahrgenommenen Dynamik ordensobrigkeitlicher Reform zu verweigern suchten, Schriftlichkeit angelegt wurde, die das klösterliche bzw. stiftische Zusammenleben regulierte. In meinem Projekt steht die Untersuchung liturgischer Handschriften (libri ordinarii, Antiphonare, Gradualien etc.) ebenso im Mittelpunkt wie die Auswertung anderer Texte, die über den Zustand und die vita religiosa innerhalb reformunwilliger Häuser Auskunft geben können, wie zum Beispiel interne Statuten, consuetudines pragmatisches Schrifttum oder auch Anweisungen für die Totenmemoria. Die Anlage und der Besitz solcher Texte wurde den nicht reformierten Klöstern in der bisherigen Forschung allgemein abgesprochen, da man, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bislang darauf bedacht war, die Zustände der Konvente nach der Einführung von Reformen zu untersuchen und man sich kaum auf die reformunwilligen Häuser konzentrierte. Dies liegt darin begründet, dass man der dominanten Ordenschronistik lange Zeit aufgesessen ist, die allen reformunwilligen Häusern ein streng geistliches Leben und als Folge auch den Besitz der dafür benötigten Texte konsequent absprach.

Wichtig ist eine Untersuchung dieser Texte in zweierlei Hinsicht: Erstens sollen sie auf inhaltlicher Ebene analysiert werden, um herauszuarbeiten, wie die Liturgie und das klösterliche Zusammenleben in den von der Reform bedrohten Klöstern und Stiften praktiziert wurde. Auf diesem Weg soll gezeigt werden, ob die Anschuldigungen der reformierenden Parteien – i.d.R. der Ordensobrigkeit oder des städtischen oder landesherrlichen brachii saecularis – wonach die reformunwilligen Ordensmitglieder ein Leben führten, das fern jeder Religiosität sei – der Wahrheit entsprechen oder ob es sich hierbei tatsächlich um Reformpropaganda handelt. Zweitens interessiert auch die repräsentative und damit möglicherweise auch politische Funktion solcher Handschriften, denn es ist durchaus denkbar, dass diese auch mit dem Hintergrund der Reformvereitelung angelegt wurden, um auf diesem Weg die Vorbildlichkeit des Klosters zu erweisen und somit auch eine Reform des Klosters als nicht notwendig erscheinen zu lassen. Auch wenn die von mir untersuchten Texte vornehmlich für den hausinternen Gebrauch angelegt wurden, kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass man bei ihrer Abfassung auch eine mögliche Außenwirkung im Blick hatte, insbesondere wenn man die Anweisungen für die Totenmemoria in den Blick nimmt, denn diese zeigen durch den Verweis auf Stifter und Gönner auch immer, in welchem Verhältnis der Konvent zur Außenwelt stand. Diese Fragestellungen setzen einen interdisziplinären Zugang für die Annäherung an diese Handschriften voraus. Einerseits sollen sie auf inhaltlicher Ebene analysiert, andererseits auch in ihren historischen Kontexten, insbesondere denen der Ordensreformen des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts verortet werden.

 

Spätmittelalter, Klöster, Liturgie, Reform, Stiftungen

Moyen Âge tardif, monastères, liturgie, réforme, don

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